Donnerstag, 10. Juli 2014

The Wolf Among Us Season 1 Review

"You guys might not know this, but I consider myself a bit of a loner. I tend to think of myself as a one-man wolf pack." (The Hangover)


Märchen sind grausam; niemand weiß das besser als deutsche Kinder. Bereits im zarten, einstelligen Alter werden unsere Alpträume befeuert mit perfiden Geschichten über Bälger fressende Hexen, Großmuttis mampfende Wölfe und unartige Mädels, die mit Feuerzeugen spielen und "mit Haut und Haar" abfackeln. Die mitunter schaurigen Geschichten sind aber nicht nur dazu da, infantile Seelen zu verstören, sie lehren uns auch: Du lebst in einer bösen Welt, Kind. Dasselbe gilt für die Märchengestalten aus The Wolf Among Us: Nach einem Exodus aus dem Reich der Fabelwesen finden sich jene im New York der uns vertrauten Welt wieder. Die Bewohner von Fabletown residieren unerkannt unter den Einwohner der amerikanischen Metropole - zumindest die Humanoiden unter ihnen, wie die Schöne und ihr Loverboy Biest, der feige Lehrer Ichabod Crane und das warmherzige Schneewitchen. Weniger amorphe Fabelwesen wie Froschbirne Mr. Toad oder Schwein Colin müssen hingegen mit magischer Hilfe - den Charmes - temporär menschliche Gestalt annehmen, um in Fabletown leben zu dürfen; können sie sich die Magie nicht leisten, werden sie auf die Farm abgeschoben: ein wenig populäres Exil.


Weil The Wolf Among Us ein Crime-Noir-Thriller von den The-Walking-Dead-Machern ist, stehen hier Charaktere, Story und Dialoge im Zentrum. Die spartanische Spielmechanik beschränkt sich auf simple Interaktionen und einige Quicktime-Events. Als Sheriff Bigby Wolf lassen wir die große, böse Wolf-Vergangenheit hinter uns und untersuchen eine ominöse Mordreihe: irgendjemand killt Fabelwesen. Von Anfang an ist die Atmosphäre bedrückend, desolat, beklemmend: Tag - so "Sonnenschein-und-lustige-Vögel-Tag"-Tag - ist in The Wolf Among Us nie. Als langer (und haariger) Arm des Gesetztes treibt sich Bigby auch irgendwie nie in Freizeitparks oder Zoos herum, stattdessen ermittelt er in zwielichtigen Bars, im Rotlicht-Milieu, durchsucht heruntergekommene Schlachthöfe und schlendert an anderen, bedrückenden Örtlichkeiten durch die Gegend. Dieses Noir-Thriller-Gefühl erzeugen die fünf Episoden trotz der mitunter intensiven Farben - rosa, pink, orange und vor allem: Neon, überall Neon.


The Wolf Among us lebt jedoch nicht nur von Optik und Atmosphäre. Das Ensemble schräger, entwurzelter Fabelwesen wächst uns binnen kürzester Zeit ans Herz: der ruppige, aber sorgsame Unterhemden-Träger Mr. Toad, Quatschkopf Bufkin (ein geflügelter Assistenz-Affe) oder auch Snow White, die Bigby mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit regelmäßig vor dessen Temperament warnt. All diese unterschiedlichen Figuren sind verbunden durch die zentrale Handlung rund um eine Reihe von Morden an Fabelwesen-Huren. Im Zuge von Bigbys Ermittlungen rücken dabei zusehendes gesellschaftliche Themen in den Vordergrund: Korruption von Behörden, das Strafsystem, ungleiche Verteilung der Güter, zunehmende Diskrepanz zwischen Arm und Reich. Wir müssen wieder und wieder harte Entscheidungen treffen: verbannen wir Mr. Toad und seinen kleinen Froschsohn auf die Farm, weil er mangels Geld keine Charmes gekauft hat? Klar, die Farm bietet schlechte Lebensumstände, doch wird ein sprechender Frosch in New York gesichtet, ist die geheime Existenz von ganz Fabletown bedroht. Insbesondere in den letzten drei Episoden werden die Themen noch düsterer, wird ausgeleuchtet, wie soziale Ungleichheit als Nährboden für Niedertracht, Verrat, Erpressung, Gewalt, kurz: Mord und Totschlag fungiert.


Wir als Spieler werden permanent dazu angehalten, das eigene Wertesystem zu hinterfragen - ist es wirklich "gerecht", Fabelwesen zu verknacken, die die begehrten Charmes illegal selbst herstellen, damit auch einkommensschwache Fables als Menschen getarnt in Fabletown leben können? Heiligt der Zweck die Mittel und sollen wir den verdächtigen Huntsman foltern, um so dringend benötige Informationen über die Fable-Huren-Mörder zu erlangen? The Wolf Among Us macht uns das nie einfach, weil es stets beide Seiten der Medaille zeigt, Charaktere stets aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet, Probleme und Themen von unterschiedlichen Standpunkten auslotet. Deswegen hassen wir manchmal Snow White, die in ihrer selbstlosen Ambition mitunter selbst zu jenem Ungerechten wird, das sie bekämpfen möchte; deswegen bricht es uns das Herz, wenn wir mit zweierlei Maß gemessen und Mr. Toad auf die Farm geschickt haben, unseren Mitbewohner Colin aber nicht, weil wir weich geworden sind; deswegen existiert hier weder das Gute noch das Böse, weder Licht noch Schatten; einzig Zwielicht.

Unterm Strich so
Stilistisch glanzvolles Noir-Märchen mit starken, skurrilen Charakteren, wendungsreicher Story und blutigem Drama; und den Walking-Dead-Spielen mehr als ebenbürtig

gespielt auf Playstation 3

Dienstag, 1. Juli 2014

Penny Dreadful Season 1 - Review

Dunkle Poesie, beschmiert mit Kunstblut


Bildungseinschub: "Penny Dreadfuls" waren so was wie Groschenromane: fiktionale, reißerische literarische Werke, die im England des 19. Jahrhunderts seriell erschienen und - daher der Name - einen Penny kosteten. Die Showtime-Horror-Serie zollt dieser Schundliteratur nicht nur durch ihr Szenario Tribut (die Handlung spielt in London Ende des 19. Jahrhunderts), sondern auch durch ihre sensationalistische Inszenierung und Motive. Der übergreifende Story-Bogen der ersten Staffel dreht sich um Sir Malcolm (fortan der Abenteurer-Opi), einen Erforscher, dessen Tochter Mina entführt wurde. Natürlich nicht von irgendeinem austauschbaren Perversen, sondern, wie schnell klar wird, von blutgeilen Vampiren. Zügig versammelt Abenteurer-Opi einen Haufen Verbündeter um sich. Mr. Chandler (Josh Hartnett), ein amerikanischer Showman und fabulöser Schütze, wird von der mysteriösen Vanessa Ives (Eva Green) angeheuert, einer Kindheitsfreundin der verschollenen Mina. Weil der Gruppe so aber noch ein Hirn fehlt, holt man kurzerhand noch Victor Frankenstein ins Boot.


Im Verlauf der acht Folgen, die es jeweils auf eine knappe Stunde Laufzeit schaffen, webt Penny Dreadful ein blutrotes Leichentuch, dessen Stoff aus altbekannten Horror-Motiven gewoben ist: Vampire, Werwölfe, der verrückte Wissenschaftler und sein Monster, Totenerweckung, Besessenheit & Exorzismus. Die einzelnen Subplots sind mitreißend, vereinnahmend und leben von einem cleveren Spiel mit Schein-Gegensätzen. So zerbricht die potthässliche Schöpfung Frankensteins an ihrer wenig attraktiven Visage, während Hedonist Dorian Gray (wer schon mal ein Buch gelesen hat, könnte die Figur kennen) jede Frau und jeden Typen bekommt, auf den er gerade Bock hat. Seine schicksalhafte Begegnung mit Eva-Green-Frau bringt wiederum Geheimnisse über die undurchschaubare Schönheit zum Vorschein, welche im Zentrum der zweiten Staffelhälfte stehen. Etwas Dunkles schlummert in der guten Dame - und damit ist nicht (nur?) eins von Dorians Sexspielzeugen gemeint. Wer schon mal sehen wollte, wie Eva Green von einer unsichtbaren, dämonischen Macht gefickt wird, sollte hellhörig werden (und ehrlich, wer will das nicht?)


Penny Dreadful lebt von starkem Schauspiel (Eva Green ist großartig, aber auch der zerrissene Frankenstein-Typ sowie der Rest der Hauptfiguren), seiner konsequenten Düster-Stimmung, die so gut wie keinen Comic Relief kennt, sowie seiner reißerischen Natur. Die wirksam inszenierten, aber insgesamt zurückhaltend platzierten Action-Sequenzen schmieren den Schirm mit einer anständigen Menge Kunstblut zu, während rund um Charaktere wie Dorian, Eva-Green-Frau und die Nutte, in die Mr. Chandler sich verliebt, obligatorisch auch einiges an Sexzeug passiert. Wie man das aus Game of Thrones und True Blood kennt, hat das aber keinerlei spielerisches Selbstverständnis, sondern wirkt zu gewollt. Besonders die Gay-Action zwischen Dorian und Mr. Chandler wirkt, als würde ein prüder Amerikaner das Maximum an sexuellem Tabubruch ersinnen wollen.


Trotzdem startet Penny Dreadful gleich in seiner ersten Staffel als starke Mixtur aus Horror, Drama und Thriller. Am stärksten wird die Serie in den Momenten, in denen sie die eigene Natur thematisiert: Frankensteins Monster findet irgendwann eine Stelle im Grand Guignol (das hier erstens in London statt Frankreich steht und zur Zeit der Handlung übrigens noch gar nicht existiert hat, wobei diese historische Tatsachenverdrehung super zur Ästhetik der Penny Dreadfuls passt), einem Theater, das mit reißerischen Stücken und viel Kunstblut aufwartet. Oben auf der Bühne werden Jungfrauen von Werwölfen zerrissen, der Zuschauer staunt über das blutige Spektakel, während unter den Kulissen Frankensteins Monster die - nicht Fäden - Seile zieht und das Blut pumpt. In seiner Freizeit liest er  Paradise Lost, zitiert die berühmten Worte: Did I request thee, Maker, from my clay / To mould me Man, did I solicit thee / From darkness to promote me.

So ist, um es kurz zu machen, auch Penny Dreadful: dunkle Poesie, beschmiert mit Kunstblut.

Samstag, 28. Juni 2014

Murdered: Soul Suspect - Review

Sam Wheat: It's amazing, Molly. The love inside, you take it with you. See ya.
Molly: See ya. Bye.
(Ghost: Nachricht von Sam)

Wie wäre es mit... Geister-Tölpel?
(Marge Simpson)


Was haben Murdered: Soul Suspect und der oben zitierte Neunzigerjahrefrauenfilm gemeinsam? In beiden latschen ausdrucksschwache Geistertypen durch die Gegend, fuhrwerken in den Angelegenheiten der Lebenden herum und lassen den Spieler respektive Zuschauer mit dem schaurigen Gefühl zurück, ihre Lebenszeit vertan zu haben. Dabei hatte ich mich als Freund von ruhigeren, eher auf Story und Charakterzeichnung fokussierten Games auf den digitalen Thriller im Vorfeld total gefreut. Die originelle Grundidee: ihr sollt euren eigenen Mord aufklären. Der Protagonist - den ich an dieser Stelle, weil ich seinen Namen so dämlich finde, Patrick Swayze taufe - wird gleich zu Spielbeginn unsanft aus einem Fenster gekickt, prallt auf dem Asphalt aus und bekommt von seinem Angreifer dann noch ein bisschen dekoratives Blei in den Torso gepumpt. Herr Patrick staunt nicht schlecht, als er entkörperlicht auf seinen blutenden Leichnam glotzt und den Tatort überprüfende Bullen einfach so durch ihn hindurch laufen. Als in einer Welt zwischen Leben und Tod gefangener Geist spukt ihr künftig durch Salem - yup, das ist da, wo ein paar Puritaner-Amis mal einen Haufen Frauen als Hexen tituliert und sie auf Scheiterhaufen erwärmt haben - und versucht, die Identität eures Killers zu lüften.


Das Gameplay dreht sich um Untersuchungen, vergleichbar mit denen aus Rockstars L.A. Noire oder auch denen aus Condemned (welches ansonsten aber blutige Action in den Vordergrund stellt). Zusammen mit Demi Moore töpfert Patrick Swayze sich durch Tatorte, wobei sich beide schrecklich nah kommen, bloß dass Sam keinen Körper hat, Demi aber Bedürfnisse. Wie soll ein Geisterpenis diese nur befriedigen? Sekunde, falsches Medium. Neuer Anlauf: Swayze schnüffelt sich durch das Salem der Neuzeit und sammelt an Tatorten Hinweise. Findet sich auf einem Innenhof beispielsweise eine von einer Statue zerquetschte Dame, müsst ihr kombinieren, wie die Gute unter die Trümmer kam. Akribisches Betrachten der Verbrechensorte resultiert in einer Vielzahl einzelner Hinweise, die ihr dann am Ende jeweils in die richtige Reihenfolge bringen sollt. Dieser Hauch Adventure ist leider plump und wenig flexibel umgesetzt. Wo ihr in L.A. Noire zahlreiche Möglichkeiten habt, auszufragen, zu untersuchen und letztlich auch falsch zu liegen, gibt es in Murdered stets nur einen Weg.


Außerhalb der Fälle stiefelt Patrick Swayze durch ein völlig leblos wirkendes Salem der Gegenwart. Eine echte - jetzt kommt's - Geisterstadt, was ironisch ist, da Patrick zwar hier und da Kumpelgeister trifft, aber der Großteil der NPCs zu den Lebenden gehört. Der Schauplatz imponiert weder gestalterisch noch grafisch. Dröge 0815-Szenerien wie ein Friedhof, eine Kirche oder ein Museum mit einer - natürlich - Ausstellung über die Hexenverfolgung Ende des 17. Jahrhunderts gähnen euch aggressiv ins Gesicht. Grafisch ist das bestenfalls als mau zu bezeichnen, einzig die Farbgebung mit den dominanten Orange- und Blau-Tönen gibt der Optik von Murdered etwas Besonderes. Abseits der Haupthandlung um den mysteriösen Bell-Killer, dessen Mordhandwerk übrigens völlig vorhersehbar mit den Salem Witch Trials der Vergangenheit zu tun hat, hilft Patrick Swayze in Nebenmissionen Geister-Tölpeln aus. die in der Patsche sitzen. Da ist dieser Typ, der bei einem Autounfall umkam und nicht mehr weiß, wer gefahren ist. Nun macht er sich einen Kopf, ob er vielleicht besoffen gefahren ist und seine dämlichen Freunde in einen vorzeitigen Tod geschleudert hat. Blöd nur, dass Square Enix für die Gesichtsanimationen wohl Nino de Angelo verpflichtet hat, Salem wirkt nämlich wie die Hauptstadt der Gesichtslähmung. Dazu gesellen sich Sprecher, die im englischen Original schon so klingen, als wären sie zwischen zwei Beerdigungen mal eben ins Tonstudio gehuscht. Da will man gar nicht wissen, wie das in der deutschen Fassung erst klingen muss. Schlecht geschriebene Dialoge komplettieren die schaurige Offerte - hatte ich schon erwähnt, dass Figuren mitunter beim Sprechen nicht mal die Lippen öffnen? Es beantwortet sich wohl von selbst, wie viel Bock ihr habt, euch in die spannenden Nebenmissionen zu stürzen.


Seine uninspirierte Inszenierung und die fade Adventure-Spielmechanik versucht Murdered dann traurigerweise noch mit so was wie Action/Thrill aufzupeppen. Ab und zu spuken ein paar Fiesi-Dämonen durch Salem und ziehen Patrick Swayze in ihre Mumbo-Jumbo-Gruselwelt. Wahrscheinlich, weil sein Gesicht so schön ist. Der Hollywood-Frauenschwarm kann das verhindern, indem er mit seiner paranormalen Energie eine Welle erzeugt, die aus irgendeinem Grund nahe Raben zum Krächzen bringt. Vielleicht bringt das Pulsieren ihre Kitzler in Wallung (haben Raben Kitzler?) Wie dem auch sei, die gefiederten Früchtchen machen dann totalen Rabatz. Weil in den Dämonen bestimmt die Seelen verstorbener Rentner stecken, die im Leben stets spielende Kinder angebrüllt haben, gehen die Geister-Tölpel dann los, um den Krach zu unterbinden. So geht's schließlich nicht in der Geisterwelt. Patrick Swayze schickt die Doofis dann per Quicktime-Event in die Hölle. Oder einen anderen schrecklichen Ort - vielleicht eine Videothek, in der sämtliche Filme mit Patrick Swayze einfach IMMER ausgeliehen sind.


Ach ja, wenn ihr jetzt denkt, ach, das klingt ja alles doof, aber vielleicht ist die Story ja gut: nö, ist sie nicht. Die Story entfaltet sich furchtbar langsam und der Protagonist kommt nach 2/3 der Spielzeit auf Dinge, die dem Spieler schon nach kurzer Zeit klar sind. Die Identität des Killers ist dann völlig willkürlich und das Finale des Spiels ein Witz. Selbst die Töpfer-Szene zwischen Patrick Swayze und dieser gealterten Tussi aus Striptease bietet mehr Nervenkitzel. Zur Ehrenrettung: an manchen Stellen im Spiel beseelt ihr eine Katze, klettert mit der Fassaden hoch oder kriecht durch Lüftungsschächte. Die Katze kann auf Knopfdruck maunzen.

Unterm Strich so
Kennt ihr das, wenn Leute sagen: hach, ist das schaurig-schön? Murdered: Soul Suspect ist schaurig-scheiße. Und hat einen der dümmsten und peinlichsten Untertitel, den je ein Videospiel tragen durfte. Ich schlage einen neuen vor: wie wäre es mit "Geister-Tölpel"?

Soll ich das spielen? nö mit ö.

Womit soll ich dann spielen? Mit deinem Geschlechtsteil. Wenn das irgendwann schmerzt, dann mit L.A. Noire. Von mir aus auch Condemned, das rückt aber Horror, Action und Suspense in den Vordergrund, ermittelt wird da nur ab und an.

Bestes Element: Der Miau-Knopf. Ihr könnt eine Katze steuern und sie auf Tastendruck maunzen lassen. Im Ernst, wieso bauen die Entwickler so was Geiles ein und verkacken dann den Rest?

Schlechtestes Element: Alles, was nicht der Miau-Knopf ist.

gespielt auf Playstation 4