Freitag, 30. Januar 2015

The Evil Within : Eindrücke


Damit hatte Sebastian Castellanos definitiv nicht gerechnet, als er, Joseph und Julie zum Tatort gerufen wurden. Klar, als Polizist hat er schon manch kranken Mist gesehen. Erlebt, was die Bestie Mensch sich gegenseitig so antut, wenn sie gelangweilt, verzweifelt oder einfach nur mit unvernünftig vielen Drogen vollgepumpt ist. Doch das hier spielt in einer ganz anderen Liga. Einer H.P.-Lovecraft-Wahnsinn-Liga, um genau zu sein. Es war beinahe zum Lachen, wie aus einem klischeehaften Horrorfilm – passiert schließlich nicht alle Tage, dass man im Dienst zu einer verlassenen Irrenanstalt gerufen wird. Nur, um vor dem Beacon Mental Hospital lauter leer stehende Polizeiwagen zu finden. Und jetzt starrt der Gesetzeshüter ungläubig auf den Monitor und betrachtet ein Band, das dem psychedelischen Video aus »The Ring« Konkurrenz machen könnte. Grobkörnig fängt die Überwachungskamera mit ihrem mechanischen Auge ein, wie drei Kollegen von Sebastian Schüsse aus ihren Handfeuerwaffen abgeben, als gäbe es dafür was zu gewinnen. Auf was zur Hölle sie da feuern? Erkennt der Bulle wegen des Kamerawinkels nicht. Dass der unsichtbare Kontrahent nicht zu Boden geht, ist indes eindeutig, denn das Dreiergespann ballert weiter aus allen Rohren. Ihre Kugeln so nutzlos, als wären sie aus Zuckerwatte. Der Vierte – was um alles in der Welt? Für einen Sekundenbruchteil wirkt es, als habe sich eine vierte Person zwischen ihnen manifestiert. Als geisterhafter Schatten, der erscheint, verschwindet, auf sie zurast und... unmöglich. Es muss eine Fehlfunktion der Kamera sein, denkt Sebastian noch, bevor ihn der Schlag auf den Hinterkopf mit dem Gesicht zuerst auf die Monitoranlage krachen lässt.


Klingt der Einstieg in »The Evil Within« noch nach gepflegtem Geisterschauder, gerät der Spieler rapide in eine nach unten geöffnete Spirale aus alptraumhaften, surrealen und beklemmenden Angst-Trips. Kein Wunder, bedenkt man, wer da die blutigen Fäden zieht: »Resident Evil«-Erfinder Shinji Mikami macht es sich mit diesem Survival-Horror-Titel zur Aufgabe, die pure Angst in Videospielform zurück aus dem Reich der Toten zu holen. Während der Beginn seines neuen Babys wie eine Mischung der Filme »Haunted Hill« und »Paranormal Activity« anmutet, fühlt sich das im nächsten Moment nach dem »Texas Chainsaw Massacre« an. Kopfüber baumelt der Protagonist von der Decke einer kargen Halle, gleich Vieh, das man zur Schlachtung präpariert hat. Während eine Ratte fiepend über den metallischen Boden huscht, wird Sebastian klar, wie zutreffend der Vergleich ist. Um ihn herum hängen Tote, ihre Gesichter erstarrt in einem schrecklichen Ausdruck unendlicher, gottloser Leere. Im Sichtfeld taucht ein Kerl mit der Statur eines Football-Spielers und der Vermummung eines Sadomaso-Pornostars auf und schleift beinah gelangweilt wirkend einen leblosen Körper hinter sich her. Aus Verfolgeransicht ergreift man als Spieler die einzige Chance, sobald der Killer vorbeigestiefelt ist. Mit dem Analogstick schwingt man in den Fesseln hin und her, bis man den armen Kerl erreicht und ihm ein Messer aus seiner erloschenen Hülle ziehen kann. Sobald man sich von den Fesseln befreit hat, reicht ein kurzer Blick auf die Umgebung, um zu realisieren:  man ist in einem Schlachthof. Geronnenes Blut überzieht die Wände, als litten diese unter Stigmata. Verschlingende Schatten kriechen über verrostete Metallgebilde, Kettensägen hängen von Wandhalterungen. So akribisch nebeneinander aufgereiht, erinnern sie an das Gebiss stählerner Bestien. Auf Knopfdruck wechselt man in eine geduckte Haltung und schleicht à la »The Last of Us« klammheimlich durch die Körpersaft-Fabrik. Denn der mysteriöse Entführer zerteilt an einem langen Tisch gerade die Überreste eines seiner unglückseligen Opfer – in unmittelbarer Nähe zum Helden. Während der Schleicheinlage zieren keinerlei störenden Bildschirmelemente den Schirm; auf die verzichtet Entwickler Tango Gameworks ganz bewusst, um die Atmosphäre nicht zu trüben. Nur bei Interaktionsmöglichkeiten erscheint eine kleine Einblendung der zu drückenden Taste. Etwa auf der Tür, die Castellanos plötzlich sichtet. Aufatmen? Mitnichten, das Ding ist abgeschlossen. Der Schlüssel befindet sich, wie sollte es anders sein, ausgerechnet in dem Raum, in dem der Schlachter-Hüne gerade am makaberen Werk ist. Aber auch, sobald der kleine Ausweg-Öffner stibitzt ist, bekommt der Detective keine Verschnaufpause. Ein Stolperdraht löst einen schrillen Alarm aus, eine Kettensäge kreischt und der Leichenfledderer hetzt in Leatherface-Manier hinter dir her. Der schmale Korridor fliegt an Sebastian vorbei, die atemlose Flucht lässt ihn den Schmerz in seinem geschundenen Körper kurzzeitig vergessen, als er durch eine Tür bricht – und sich ein Loch vor ihm auftut. Jenseits davon erstreckt sich die Stadt, in Schutt und Asche liegend. Ein wüstes Land.

Donnerstag, 1. Januar 2015

The Houses October Built Review


Ein Spukhaus ist in seinem Kern wie ein Horrorfilm: es versucht mit Hilfe von Tricks, Angst in uns hervorzurufen. The Houses October Built dreht sich um Kerle, die Spukhäuser lieben und weg wollen von den Disney-gerechten Haunted Houses, wie man sie überall findet, die auf der Suche sind nach der ultimativen Erfahrung von Angst. Der Film eröffnet mit einem Zitat eines Typen, dessen Namen ihr wahrscheinlich noch nie gehört habt. “I'm not afraid of werewolves or vampires or haunted hotels, I'm afraid of what real human beings to do other real human beings" nach Walter Jon Williams, einem Sci-Fi-Ami-Autoren. Die Handlung um einen Haufen Typen und ein Chick, die in einem Trailer auf der Suche nach besonders abgefahrenen Spukhäusern durch die USA gurken, ist ähnlich dünn wie die Gerippe der Plastik-Skelette, welche Letztere beheimaten. Bis auf diese in einen Satz passende Beschreibung muss man eigentlich nur noch wissen, dass der Handlungsverlauf der Zuschauer-Erwartung exakt entspricht. In der Exposition funktioniert das Konzept noch okay, obwohl einem die Haunted-House-Fanatiker von der ersten Sekunde an total egal sind. Figurenzeichnung, relevante Konflikte sucht man ebenso vergebens wie spinnenwebenfreie Ecken in einem Spukhaus. Dafür funktioniert die Inszenierung des Found-Footage-Road-Movies überwiegend gut. Während die gesichtslose Bande (einer hebt sich dadurch ab, dass er dick ist; dick und lustig; wo haben wir das schon mal in einem Film gesehen?) durchs Land tingelt, wetzen sie erwartungsgemäß durch diverse Gruselhütten voller kostümierter Erschrecker (wie üblich meist Clowns; was auf den Straßen Frankreichs funktioniert, sollte man nicht antasten). Während man sich im ersten Drittel des Films noch über die ansehnlichen Set-Pieces (an einer Stelle darf die Bande Paintballschießen auf Zombies machen. wundervoll!) freut und geflissentlich übersieht, dass die Charaktere null Prozent ausgearbeitet sind und sich an der Story neben dem völlig Vorhersehbaren nichts tut, werden letztere strukturelle Schwächen dem Film aber mit zunehmender Laufzeit zum Verhängnis.



Im Zuge ihrer Nachforschungen stoßen sie natürlich auf eine sagenumwobene Erschrecker-Bande. Die Typen (The Blue Skeleton) genießen in der Erschrecker-Szene (lustiges Wort) den Ruf, Grenzen zu überschreiten. Okay, und logischerweise geraten unsere identitätslosen Helden dann im letzten Abschnitt des Films in die Fänge der Blue Skeletons. Da ist man bereits gelangweilt, nachdem nach der Exposition dann irgendwie nicht viel kommt (ein paar halbherzige Scares, ein paar nette Set-Pieces, diverse maskierte Spukhäuser-Psychos, die einfach da stehen, die Gruppe anstarren und sie scheinbar stalken). Daraus hätte man eine mit perfider Originalität gespikte, die Zuschauerpsyche in einem Säurebad zersetzende Torture-Show machen können. Man hat sich aber dagegen entschieden und sich gedacht, man könnte ja auch einfach einen belanglosen Horror-Humbug als Endteil wählen. Das Ende (also das Ende-Ende) wirkt komplett uninspiriert und schneidet ins strukturelle Fleisch des Films. Gedärme, sadistische Ausschweifungen? Leider nein. In diesem Fall muss ich tatsächlich "leider" sagen, denn der komplette Film arbeitet auf die Idee einer ultimativen Erfahrung von Furcht hin. Wäre The Houses October Built selbst ein Spukhaus, würde einen das Filmteam in entgegengesetzter  Richtung durch seine Räumlichkeiten führen und einem zuerst den geilen Scheiß zeigen, bevor einem dann am höchsten Spannungspunkt die Toiletten gezeigt werden und man sich in eine Warteschlange am Eingang stellen muss.

Spukig sweet: Die Psycho-Tussi mit der Maske, die mitten in der Nacht vorm Trailer unserer Helden steht. Diese bitten sie aus mir unerfindlichen Gründen in den Wohnwagen herein. Sie sitzt dann da, sagt kein Wort, schreit zweimal lustig und geht wieder. Schön!

Spooky blödi: So viel verschenktes Potenzial. Der Film ist wie ich in einem Süßigkeitenladen und will alles, was in Geschmacklosigkeit resultiert.

Ich gebe 2,5 von 5 spukigen Spukhäusern.


Wusstet ihr, dass die Macher professioneller Filme 30 Prozent Tax Credit in Louisiana bekommen? Auch The Houses October Built spielt da. Wenn man das einmal weiß, fällt einem erstmal auf, dass ungefähr jeder 2. Film in Louisiana spielt.